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Interview mit Birgit Appel-Wimschneider zum Thema Tiergestützte Therapie

Was bedeutet der Name Orenda? Kann er mit dem Hintergrund der Ranch in Verbindung gebracht werden?

Orenda kommt aus der Sprache der Irokesen und ist die Bezeichnung für die »übernatürlich wirkende Kraft in Menschen, Tieren und Dingen“. In unserer Sprache würde es frei übersetzt heißen: „Seelenverbindung“. Die Orenda-Ranch ist ein Ort, an dem sich Menschen der eigenen schöpferischen Kraft wieder annähern können, um die Seele zu nähren, und Tieren sowie der Natur näher zu kommen.

Für welche Personengruppen sind tiergestützte Therapien zu empfehlen?

Ich biete seit 10 Jahren Therapeutisches Reiten für psychisch kranke Erwachsene und Kinder an. Das gesamte Orenda-Ranch-Team kann täglich miterleben, wie viel Freude die vielen verschiedenen Tiere den Menschen beim Berühren, Führen und Getragenwerden bereiten – und das oft schon nach kurzer Zeit. Die Tiere von der Orenda-Ranch bringen die Menschen sowohl körperlich als auch emotional (im wahrsten Sinne des Wortes) in Bewegung. Die Tiere nehmen den Menschen an, ohne ihn zu bewerten. Für viele ist dieses „annehmen“ eine ganz neue und heilsame Erfahrung. Negative Gedankenmuster wie “Mich mag eh keiner“ können so überprüft und korrigiert werden.

Gute Erfolge haben wir auch bei Menschen mit Tierphobien erzielt. Es gibt hier die Möglichkeit, sich erst langsam von einem kleinen Tier (Kaninchen) über ein mittelgroßes Tier (Hund, Ziege) bis hin zu einem größeren Tier (Lama, Pferd) anzunähern- oder auch umgekehrt. Auf der Orenda-Ranch hatten wir auch schon Menschen, die mit 40 Jahren noch nie ein Tier gestreichelt haben, und dann sehr berührt waren, als sie es dann doch geschafft haben.

Das Therapeutische Reiten ist für Personen geeignet, die Probleme haben wahrzunehmen, achtsam zu sein, zu spüren, zu vertrauen, loszulassen, Kontrolle abzugeben oder klar zu sein.
Beim therapeutischen Lama führen steht vor allem das Thema: „Gleichzeitig in Kontakt mit sich selbst und dem Außen zu sein“ im Vordergrund.

Warum werden vornehmlich Pferde und Lamas für den Therapieprozess eingesetzt?

Beides sind sehr soziale Tiere, die von Natur aus neugierig und freundlich sind.

Durch den hohen Aufforderungscharakter (weiches Fell-große Augen) der beiden Tierarten werden sehr schnell Abwehrmechanismen aufgeweicht, was die Beziehungsaufnahme erleichtert.

Da diese Tiere “Meister im Lesen der Körpersprache“ sind, reagieren sie sehr schnell auf die Stimmung, Atmung, Körperspannung und Echtheit der Beziehung. Als erfahrener Therapeut kann ich die Rückmeldung meiner Tiere lesen und sie dem Patienten wieder zur Verfügung stellen und spiegeln. Da ich ja nur der „Übersetzer“ der Rückmeldungen der Tiere bin, können diese viel leichter durch die Patienten angenommen werden. Oft ergeben sich dabei auch wertvolle Hinweise für den weiteren therapeutischen Prozess der Patienten in anderen Therapiegruppen.

Ein Beispiel vom Lamaführen

Ein ängstlicher Pat. war beim Führen nicht in Kontakt mit sich selbst. Statt mit dem Führstrick zu führen, hielt er sich eher daran fest. Das Lama reagierte prompt und wollte nicht mehr weitergehen. Ich nahm den Pat. aus der Situation heraus, und gab ihm die Aufgabe, beim nächsten Versuch mehr die Führung zu übernehmen und mehr bei sich zu bleiben. Dies konnte er anschließend bei einem anderen Lama schon besser umsetzen.

Eine Woche später führte derselbe Pat. die Lamas wesentlich besser .Von diesem Erfolg ermutigt traute sie sich sogar an unseren Lamahengst Toni, der sehr dominant ist und eine klare Führungsposition einfordert. Er erzählte stolz, dass er kurz davor war, sich ausbuchen zu lassen- dann aber die ganze Woche geübt hat, zu seiner Mitte zu finden, sich zu spüren und klarer zu werden. Die Lamas konnten ihm durch das direkte Feedback bestätigen, dass er den Kontakt zu sich schon gut herstellen konnte und auch klarer seine Führungsposition einnehmen konnte.

Wie kann man sich den Ablauf des Therapeutischen Reitens bzw. therapeutischen Lama Führens vorstellen?

Zum Therapeutischen Reiten werden die Pat. mit dem Klinikbus auf die Ranch gebracht, während beim therapeutischen Lama führen die Lamas im Pferdehänger vor Ort nach Heiligenfeld kommen. Bei der gemeinsamen Anfangsrunde werden mögliche Themen und Ziele für die heutige Stunde besprochen und der Patient ordnet seine Stimmung auf dem Stimmungsbarometer ein. Anschließend wird für jeden Teilnehmer der passende „Co-Therapeut“ (ein Therapietier) zugeteilt. Nach der ersten Kontaktaufnahme geht es hinaus in die Natur. Dort werden im Gelände auf den Patienten individuell angepasste Übungen durchgeführt. Dabei geht es viel um die Themen Vertrauen, Loslassen, Grenzen setzen, Führung übernehmen und um Klarheit. Bei der Reittherapie geht es neben dem abwechselnden Führen und Geführtwerden auch um Schulung der Körperwahrnehmung.

In der Abschlussrunde werden die Erfahrungen reflektiert, Verhaltensmuster aufdeckt und integriert sowie Anregungen zum Transfer in den Alltag gegeben. Das Stimmungsbarometer ist dabei in der Regel gestiegen.

Inwiefern nimmt der Kontakt mit den Tieren Einfluss auf das Verhalten der Menschen? Was bewirkt die Therapie generell?

Am Ende jeder Therapiegruppe können wir beobachten, dass sich die Stimmung der Teilnehmer (Stimmungsbarometer) und das Allgemeinbefinden oft gebessert haben.

Um noch besser zu verdeutlichen, was diese Therapie bewirken kann, möchte ich einfach ein paar Patientenrückmeldungen sprechen lassen:

Was hat das Therapeutische Reiten bewirkt?

„Ich darf mich langsam annähern, ich darf Schwäche zeigen“.

„Ich kann mir die Erfahrung des Getragen Werdens gönnen und als Ressource für Kraft und Erholung mir zu Eigen machen“.

„Nach dem Reiten bin ich total erfrischt und lebendig .Der Bezug von Mensch-Tier-Natur ist eine Herzensangelegenheit von mir. Durch diese Verbindung wird meine Seele genährt und ich fühle, ich lebe. Ich nehme einen großen Respekt und tiefe Dankbarkeit mit.“

„Auf dem Pferd werden meine Seelenanteile wieder als Ganzes zusammengefügt. Ich spüre

mich wieder.“

„Besseren Bezug zu meinem Körper- ich spüre seitdem immer besser mein Becken, Rücken und Füße; erlebe mich präsenter; Stärkung der eigenen Autorität und Klarheit und Ausrichtung auf ein Ziel; bessere Entspannung in mir, kann leichter loslassen, Zufriedenheit in mir selbst;: Selbstvertrauen gestärkt in mich und mein Können“

Was hat das Therapeutische Lamaführen bewirkt?

„Ich war überrascht über die Sensibilität der Tiere. Sie haben genau mein Befinden gespiegelt. Ich werde immer feinfühliger. Danke! Besonders war der letzte Tag mit Chipsy! Wir sangen um die Wette und sie hatte den Kopf ganz nah neben mir und lief vollkommen frei. Ich habe mich selbst in den Tieren gefunden. Ich bin begeistert und kann es nur empfehlen.“

„Schon im Vorfeld hat mich Toni, der Lamahengst, aus dem Internet angesprochen. Hier wollte ich damit meine Entzugserscheinungen bezüglich Tieren bekämpfen. Mir fehlen hier meine Pferde und Hunde. Da ich mit Lamas noch keinen Kontakt hatte, hat mich das interessiert.

Diese feinen Geschöpfe spiegeln meinen inneren Zustand extremer als meine Tiere zu Hause. Ich bin immer noch nicht wirklich in Balance. Heute wurde Toni zappelig und ich habe mich davon anstecken lassen. Wir haben uns gegenseitig hochgeschaukelt. Als ich dann durchatmete und mich zentrierte und aufrichtete, war alles wieder gut.“

„Mehr Gespür, wann ich in Kontakt bin, und wann nicht.

Mehr Gespür für zielgerichtet sein, wenn ich in der Führungsrolle bin.

Neu ist seit einem halben Jahr die Gruppe „Kunst des Führens“ auf der Orenda-Ranch.

Hier werden Rückmeldungen von Pferd, Lama, Esel und Ziegen genutzt.

Schwerpunktthemen sind dabei:

Wie wirke ich nach außen? Wie klar bin ich? Wie gut kann ich wahrnehmen und beobachten? Wie schnell kann ich mich auf neue Situationen einstellen? Wie eindeutig kann ich kommunizieren? Wie konsequent bin ich? Wie gehe ich mit Frustrationen um?

Das Setting wird jedes Mal individuell an die Themen der Teilnehmer angepasst, z.B.: Führen der Tiere durch einen Parcour, gegenseitiges Führen auf dem Pferd, Freiarbeit mit einem Pferd/Esel im kleinen Reitplatz, verschiedene Partnerübungen mit einem Tier, Führen von Lama, Esel und Ziege mit Bewältigung von verschiedenen Aufgaben.

Videoaufnahmen können die anschließende Nachbesprechung ergänzen, in der auch ein Transfer in den Alltag besprochen wird.

Geeignet ist es für alle, die wertvolle Erkenntnisse im Umgang mit Mitarbeitern, Kunden, Kindern, Partner, Familienangehörige und letztendlich auch mit sich selbst gewinnen möchten.

Rückmeldungen von Teilnehmern, was sie mitnehmen:

„Je klarer und eindeutiger meine Signale/Aufforderungen sind, umso leichter lässt sich das Tier führen. Führen bedeutet nicht, gegen den Willen des Tieres etwas durchzusetzen, sondern ihm Sicherheit geben.

Deshalb werde ich versuchen, auch im Beruf und Familie klare und eindeutige Signale zu geben, das erleichtert für beide Seiten das Zusammenleben. So wie jedes Tier anders ist, so ist es auch beim Menschen. So stellen sich beide Seiten eindeutiger aufeinander ein.“

„Erkenntnisse über mich, Erstaunen über mich. Eine bessere Wahrnehmung und Einschätzung meiner Wirkung auf andere.“

Birgit Appel-Wimschneider

Author Birgit Appel-Wimschneider

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